
Carmen Eder,
Country Regulatory Head
Arzneimittel: Innovation unter strengen Vorgaben
Innovation im Gesundheitsbereich ist eine Gratwanderung zwischen Nutzen und Risiko: Auf der einen Seite können innovative Medikamente und Medizinprodukte einen enormen Fortschritt in der Behandlung von Krankheiten bringen und das gesamte Gesundheitswesen entlasten. Auf der anderen Seite müssen die damit verbundenen Risiken für die Patientinnen und Patienten eingeschränkt werden. Zu diesem Zweck bewegt sich Innovation im Gesundheitswesen in einem sehr strengen regulatorischen Rahmen. Dieser stellt jedoch keinen Widerspruch zur Innovation dar, sondern ermöglicht diese. Denn besonders im Arzneimittelbereich können sinnstiftende und nachhaltige Innovationen nur jene sein, die gleichzeitig auch die Sicherheit der Patientinnen und Patienten garantieren. Darüber hinaus schaffen die Regularien die Grundlage für konsistente Entscheidungen.
Beschleunigung für besondere Innovationen
Im Arzneimittelbereich ist das strenge Zulassungsverfahren der Garant, dass das Produkt sämtliche rechtliche Vorgaben erfüllt und Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit gewährleistet. Allerdings steht das Verfahren oft im Spannungsverhältnis zu einem zeitlichen Druck, was erst jüngst Covid-19 demonstrativ vor Augen geführt hat. Arzneimittelbehörden weltweit reagieren auf dieses Spannungsverhältnis mit beschleunigten oder bedingten Zulassungsverfahren für besonders innovative oder dringliche Produkte. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA etwa verkürzt bei besonders innovativen Medikamenten den Zulassungsprozess von 210 auf 150 Tage.
Sicherheit der Patientinnen und Patienten als oberste Priorität
Im Zusammenhang mit innovativen Arzneimitteln gewinnen auch reale Daten jenseits von klinischen Studien (Real World Evidence) eine immer größere Bedeutung. Wenn sie ergänzend für Zulassungs- und Erweiterungsanträge akzeptiert werden, könnte das den Spielraum für Arzneimittelinnovation erweitern. In jedem Fall gilt jedoch, dass die Sicherheit der Patientinnen und Patienten oberste Priorität haben muss. Auch eine beschleunigte Zulassung muss auf verlässlichen Erfahrungswerten beziehungsweise Erkenntnissen beruhen und darf nicht auf Kosten der Sicherheit gehen.
Milliardenbeträge für innovative Produkte
Auch wenn das Erfordernis von strengen Regularien im Arzneimittelbereich außer Frage steht, so bedeutet das Regelwerk doch einen beträchtlichen Aufwand: Im Durchschnitt dauert die Entwicklung eines innovativen Medikaments mehr als zehn Jahre und kostet mehr als zwei Milliarden Euro. Nur ein bis zwei von 10.000 neu entdeckten Substanzen schaffen es überhaupt auf den Markt. In Österreich wurden von 2012 bis 2019 knapp 300 innovative Arzneimittel zugelassen. Nichtsdestotrotz ist die Innovationstätigkeit in der Pharmaindustrie ungebrochen, was sich insbesondere in den hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) widerspiegelt: Mehr als 35 Milliarden Euro jährlich investieren die europäischen Pharmaunternehmen zusammen in diesen Bereich, womit sie mit 15 Prozent ihres Gesamtumsatzes über die höchste F&E-Quote im Branchenvergleich verfügen.